Heim- und Telearbeit

Unter dem Begriff Heimarbeit werden all die Beschäftigungsverhältnisse gefaßt, bei denen Menschen in eigener Produktionsstätte (meist die eigene Wohnung) Arbeiten verrichten und deren Ergebnisse ihrem Auftraggeber überlassen. Rein rechtlich gesehen sind diese Personen zumeist keine Arbeitnehmer, so dass für sie auch weite Teile des Arbeitsrechts nicht gültig sind. Sie werden nicht nach der Arbeitszeit, sondern entsprechend der erbrachten Stückzahlen bezahlt. Viele Heimarbeiter fallen gleichzeitig unter andere Kategorien der Prekarität, wie z.B. der (Schein-)Selbständigkeit, Arbeiten auf Abruf, Teilzeitarbeit...

Ein wesentlicher Nachteil der Heimarbeit ist die soziale Isolierung der Arbeitenden, die ihre KollegInnen meist nur sehr selten zu Gesicht bekommen. SoziologInnen sehen hierin ein Hauptbelastungsmerkmal durch Telearbeit. Dadurch werden auch kollektive Widerstandsformen gegenüber den Auftraggebern erschwert.

Ebenso kann die fehlende (räumliche) Trennung von Arbeit und Privatleben zu einer Belastung werden, wenn z.B. besondere familiäre Belastungen die Erledigung des Arbeitspensums in der Normalarbeitszeit gefährden. Vom Arbeitgeber durchgeführte Kontrollen stellen zudem immer einen Eingriff in die Privatsphäre dar. Diese dürfen rechtlich zwar nur mit dem Einverständnis der Betroffenen erfolgen, in der Praxis dürfte eine Verweigerung jedoch recht selten sein.

Klassische Formen der Heimarbeit, wie z.B. im Textilsektor oder auch in der Metall- und Elektroindustrie, sind seit den 70er Jahren kontinuierlich im Rückzug begriffen. Einzig zunehmender Sektor, der den Gesamtrückgang an Heimarbeit aber nicht wettmachen kann, ist die Telearbeit. Jedoch wird nur ein Teil der Telearbeit (fast) ausschließlich zu Hause verrichtet. Eine Form der Telearbeit ist die sogenannte "Mobilarbeit", deren Arbeitsort i.d.R. der Standort des Kunden ist und bei der nur ein Teil der Arbeit zu Hause und/oder im Betrieb geleistet wird. Zudem wird ein Teil der Telearbeit in speziellen Telearbeitszentren, die entweder vom Auftraggeber oder aber von mehreren TelearbeiterInnen gemeinsam eingerichtet werden, verrichtet.

Das Tätigkeitsfeld der Telearbeit ist recht breit gefächert. Die Spannbreite reicht von hochqualifizierter Programmierertätigkeit, Übersetzungsaufgaben, Verwaltungstätigkeit bis hin zu einfacher Text- und Datenerfassung. I.d.R. wird bei den TelearbeiterInnen ein relativ hohes Maß an Organisationsvermögen wie auch technischem Verständnis der IuK-Technologien erwartet. Umfragen ergaben, dass das durchschnittliche Bildungsniveau von TelearbeiterInnen über dem der "normal" Beschäftigten liegt.

Oft bildet Teleheimarbeit auch ein Einfallstor für den Übergang zu anderen Formen prekärer Beschäftigung. Viele Unternehmen versuchen, bestimmte Tätigkeitsbereiche auszugliedern, indem die dort Beschäftigten in die Scheinselbständigkeit drängen. Oft geht das mit einer Kürzung der Einkommen einher, die mit dem geringeren Aufwand für Fahrtkosten für die TeleheimarbeiterInnen einerseits und den gestiegenem technischen Verwaltungsaufwand für die Unternehmen andererseits begründet werden. Gleichzeitig entfallen für die Auftraggeber Überstunden- und Schichtzuschläge und diverse Kosten für Büroräume, betriebliche Vergünstigungen, wie Essenzulagen usw.

Noch vor wenigen Jahren war das Ausmaß an Telearbeit in Deutschland noch recht marginal, Schätzungen Mitte der 90er Jahre reichten von 150.000 bis 875.000 Telearbeitsplätzen, das Potential an solchen Beschäftigungen wurde auf 1...2,5 Mio Telearbeitsplätze in den nächsten Jahren geschätzt.1 Im internationalen Vergleich hinkte Deutschland 1994 mit rund 2,5% Anteil von TelearbeiterInnen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen gegenüber um die 15% in Großbritannien, Finnland oder Schweden der Entwicklung in anderen Ländern noch hinterher (siehe Grafik).

Jedoch übertrafen die Zuwachsraten alle Erwartungen. Im Jahre 2000 schätzte das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln die Anzahl der Teleheimarbeiter bereits auf gut 6% aller Erwerbstätigen und das Potential auf rund 4 Mio Telearbeitsplätze2, der DGB gab im gleichen Jahr eine Zahl von mehr als 2 Mio TelearbeiterInnen an, was in etwa der Zahl des IW entspricht.

 

 

Fussnoten
1
Schulz/Schmid/Krömmelbein: Telearbeit - durch eine neue Arbeitsform zu mehr Beschäftigung? Eine Literatursynopse ausgewählter Studien, in: WSI-Mitteilungen 10/1999, S.714f.
2
FAZ, 3. 6. 2000

Bild 1 Heimarbeit in Deutschland 1964 – 1998, Quelle: Müller-Jentsch / Ittermann: Industrielle Beziehungen, Frankfurt/New York 2000, S.71

Bild 2 Telearbeit im internationalen Vergleich, Quelle: Die Zeit, 33/98


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