Geringfügige Beschäftigung Zum grossen Teil ist die Zunahme der Teilzeitarbeit in Deutschland auf den hohen Anstieg geringfügiger Beschäftigung1 zurückzuführen. Als "geringfügig beschäftigt" gelten alle diejenigen, die einer Beschäftigung nachgehen, deren Einkommen DM 630,-/Monat2 nicht übersteigt. Der Arbeitgeber muss pauschal 12% des Entgeltes an die Renten- und 10% an die Krankenversicherung bezahlen, andere Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitslosenversicherung) fallen nicht an, ebensowenig Lohnsteuer.3 Arbeitnehmer können aber nur Ansprüche aus der Rentenversicherungspflicht erwachsen, wenn sie selbst den Versicherungsbeitrag aufstocken. Insgesamt gesehen sind solche Beschäftigte nach Berechnungen des Gelsenkirchener Instituts für Arbeit und Technik (IAT) von 1998 für den Arbeitgeber rund 25% billiger als vergleichbare sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Die o.g. Regelungen wurden im Zuge der Reform der Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung (Einführung der Sozialversicherungspflicht) im April 1999 festgelegt. Davor waren diese Beschäftigungsverhältnisse keiner Sozialversicherungspflicht unterworfen, Arbeitgeber hatten generell eine pauschale Lohnsteuer von 20% zu entrichten. Letztere wurde dennoch oft den Beschäftigten aufgebürdet. 1999 wurde mit der Sozialversicherungspflicht u.a. auch die Meldepflicht für geringfügig Beschäftigte eingeführt, so dass diese nun im größeren Umfang in die Statistik eingehen. Zuvor wurden diese – auf Grund der nicht vorhandenen Meldepflicht – nicht oder nur unzureichend erfaßt. In neueren Veröffentlichungen des statistischen Bundesamtes sind die Erwerbstätigenzahlen bis zum Jahre 1991 rückwirkend um die (mehr oder minder geschätzte) Zahl der geringfügig Beschäftigten korrigiert worden. Damit ergab sich für das Jahr 1991 ein Plus von 1,9 Mio. und für 1999 ein Plus von 3,6 Mio. Erwerbstätigen. Diese Personen fallen dann unter die Teilzeitbeschäftigten (auch wenn sie arbeitslos gemeldet sind), wodurch sich die Teilzeitquote (unter abhängig Beschäftigten) für 1999 um rund 5 Prozentpunkte auf ca. 25% erhöht. Dabei liegen die Zahlen des
statistischen Bundesamtes erheblich unter gewerkschaftlichen wie auch
Schätzungen von Wirtschaftsinstituten. Während beispielsweise
die amtliche Statistik für 1991 knapp 1,2 Mio. geringfügig Beschäftigte
ausweist, gibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nach
den Ergebnissen des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) eine Zahl von
fast 3,2 Mio. an. Der DGB4 errechnet für
das erste Quartal 1999 – also unmittelbar vor der Änderung des "630-Mark-Gesetzes"
– eine Zahl von 4,83 Mio ausschließlich geringfügig Beschäftigten,
während im Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes nur 2,42 Mio.
ausgewiesen werden. Jedoch stimmen alle verschiedenen Erhebungen darin
überein, dass seit Beginn der 90er Jahre ein erheblicher Zuwachs
an geringfügiger Beschäftigung zu verzeichnen ist. So hat sich
die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten
nach Angaben des Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes zwischen 1991
und 1999 mehr als verdoppelt, das SOEP weist zwischen 1991 und 1995 eine
Steigerung von knapp 30% aus. In Westdeutschland ist ein
nicht geringer Teil in Privathaushalten beschäftigt. In diesem Bereich
gibt es fast ausschließlich geringfügig Beschäftigte.
1992 waren das rund 28% (=728.000 Personen) aller sozialversicherungsfrei
Beschäftigten (im Osten dagegen nur 8%).6 Geringfügig Beschäftigte sind oft – unter Mißachtung von gesetzlichen Vorschriften und tarifvertraglichen Regelungen – noch stärker von den Benachteiligungen betroffen, denen Teilzeitbeschäftigte generell ausgesetzt sind. Im europäischen Vergleich liegt die BRD nach einer Studie des Gelsenkirchener Instituts für Arbeit und Technik von 1998 eher im Mittelfeld. Spitzenreiter sind die Niederlande (13,1% Anteil an der Gesamtbeschäftigung), Großbritannien weist mit 8,6% ebenfalls einen recht hohen Wert auf. Die BRD liegt mit 3,8% im Mittelfeld9, am unteren Ende liegen Portugal, Österreich und Belgien (alle unter 2%). Die Regelungen zur Sozialversicherungspflichtigkeit und Besteuerung variieren teilweise erheblich, jedoch gibt es in den meisten Staaten der EU den deutschen "geringfügig Beschäftigten" vergleichbare Regelungen. In manchen Ländern werden Leistungsansprüche i.d.R. erst ab einer bestimmten Stundenzahl (Frankreich 16h, Schweden 17h pro Woche) bzw. einem Mindesteinkommen (GB rund 61 Pfund/Woche, Österreich 3600 Schilling/Monat) erworben.10 |
Fussnoten | |
Die Kategorie der "geringfügigen Beschäftigung" ist eine deutsche Erfindung. Inwiefern es vergleichbare Beschäftigungsarten im Ausland gibt, ist derzeit nicht nachzuvollziehen. | |
Dieser Betrag gilt seit April 1999 einheitlich in Ost- und Westdeutschland und soll nach Aussagen der amtierenden Bundesregierung nicht mehr erhöht werden. | |
Das gilt nur für eine geringfügige Alleinbeschäftigung, andere Regelungen gibt es für geringfügige Beschäftigung neben einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung sowie bei mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. | |
Einblick | |
Alle Zahlenangaben für 1996, Quelle: Ochs, Christiane: Mittendrin und trotzdem draußen - geringfügige Beschäftigung, in: WSI-Mitteilungen 9/1997, S.643 | |
Ochs, Christiane: Mittendrin und trotzdem draußen - geringfügige Beschäftigung, in: WSI-Mitteilungen 9/1997, S.644 | |
Kahrs, Horst: Arbeitsmarkt 2000, S.25 | |
Ochs, Christiane: Mittendrin und trotzdem draußen - geringfügige Beschäftigung, in: WSI-Mitteilungen 9/1997, S.646 | |
Dieser Wert ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, da dieser Prozentsatz gerade mal etwa 1,5 Mio. Beschäftigten entspricht. Im gleichen Zeitraum gab es für Deutschland Schätzungen, die sich auf bis zu 6 Mio. beliefen. | |
Alle Angaben zum europäischen Vergleich basieren auf der Studie "Anreize von Steuer- und Sozialversicherungssystemen für familiale Erwerbsmuster. Ein Vergleich zehn europäischer Länder." des Gelsenkirchener Instituts für Arbeit und Technik (1998) |
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